Meldung vom 26.02.2014
Apps auf Rezept
Menschen werden immer mehr zu ihren eigenen Gesundheitsmanagern. Als „mündige“ und vor allem aktive Patienten sind sie besser informiert und kümmern sich verstärkt selbst um Gesundheitsvorsorge sowie um Therapien. Eine rasant wachsende Anzahl von Apps und Online-Services begünstigen diese Entwicklung. Vor allem verändern sie auch das Verhältnis zwischen Patienten und Medizinern. Darum ging es bei der Ausgabe der Diskussionsreihe twenty.twenty, zu der A1 und The Gap gestern eingeladen hatten. In seiner Keynote „Apps auf Rezept“ betonte Kai Sostmann, Leiter der medizinischen Hochschuldidaktik und eLearning für die Charité Universitätsmedizin Berlin die Notwendigkeit eines intensiven Zusammenspiels von traditioneller und Online-Medizin.
Fredrik Debong, einer der Gründer von mySugr ist selbst das beste Beispiel dafür, was unter einem aktiven Patienten verstanden werden kann. Er ist Diabetiker und hat gemeinsam mit anderen ein Tool entwickelt, das beim Umgang mit der Krankheit unterstützt. Mittlerweile hat mySugr mehr als 90.000 Anwender. Diese und ähnliche Formen der Selbsthilfe brauchen auch neue Strategien im etablierten Gesundheitssystem. „Online-Services sind kein Ersatz für Arztbesuche, sie können aber Diagnose und Therapie unterstützen. Mediziner sollten sich als Berater in diesem Prozess sehen“, so Kai Sostmann.
Qualität kritisch hinterfragen
Dass die mySugr höchsten Qualitätsansprüchen genügen muss, ist für Debong ganz selbstverständlich. Nur so ist es auch möglich, die App in den medizinischen Umgang mit der Krankheit zu integrieren. Andrea Fried, Bundesgeschäftsführerin der ARGE Selbsthilfe Österreich betonte, dass viele der Anwendungen, deren Nutzung durchaus Spaß macht, bei weitem nicht die Qualität aufweisen, die man von medizinischen Tools erwartet und warnte zur Vorsicht. Für sie zeichnet die mündigen Patienten vor allem eines aus: Sie haben den Mut Fragen zu stellen. Und zwar sowohl gegenüber Medizinern als auch gegenüber den Anbietern von Apps.
Verbesserung der Kommunikation
Für Michael Ogertschnig, Leiter des Fachbereichs Management im Gesundheits- und Pharmawesen am Zentrum für Management im Gesundheitswesen der Donau-Universität Krems stehen nicht die Features diverser Anwendungen im Vordergrund, sondern vor allem eines: Technologische Lösungen können die Kommunikation und Kooperation mit den Ärzten verbessern. Die paternalistische Haltung, die im Gesundheitssystem vielfach noch vorherrscht, ist ein Auslaufmodell. Für Sostmann entsteht medizinischer Fortschritt im 3. Jahrtausend entsteht durch die Interaktion mündiger Patientinnen und Patienten mit Ärztinnen und Ärzten.
Daten nicht um jeden Preis sammeln
Ein Großteil der Diskussion drehte sich um das Thema Datenschutz. Gerade bei Fitness- und Gesundheitsapps werden sehr viele und vor allem heikle Daten gesammelt, bei denen oft nicht klar ist, an wen sie weitergegeben und wie sie verarbeitet werden. Der wissenschaftliche Wert dieses intensiven Datensammelns ist dabei meist eher zweifelhaft.
Die Beiträge zur twenty.twenty Blogparade und die Videoaufzeichnung sowie Fotos der Veranstaltung sind auf http://www.twentytwenty.at zu finden.