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Die Telefonzelle im Wandel der Zeit

1903 gingen am Wiener Südbahnhof die ersten Telefonautomaten in Betrieb. Seitdem hat sich viel getan: Wir werden nostalgisch!

Was ist ein Telefonautomat? Der historische Vorläufer der Telefonzelle wurde am 17. August 1903 im Wiener Südbahnhof erstmals in Österreich-Ungarn in Betrieb genommen. Binnen kürzester Zeit prägten die Boxen, die überall aufgestellt wurden, das Stadtbild und wurden zur Selbstverständlichkeit. Das Design der späteren Telefonzellen, in England noch immer hipp aufgrund ihrer signifikanten roten Farbe, veränderte sich mit den Jahrzehnten. Hier ein Überblick über die Geschichte und die weiteren Verwendungsmöglichkeiten heute.
Der Telefonkiosk vor der Urania in Wien um 1920. © A1 Telekom Austria AG

Erfindung der Münzfernsprecher

​​​​​​​Zu den bemerkenswertesten Fortschritten, die nach der Jahrhundertwende die Entwicklung der Telefonie kennzeichneten, zählte die Einführung der Münzfernsprecher im Jahre 1903. Der Österreicher Robert Bruno Jentzsch suchte um eine Konzession zur Aufstellung der von ihm erfundenen Münzfernsprecher an. Es handelte sich um eine „Telephon-Station, welche nach Einwurf von 20 Heller zum Führen eines aktiven Gespräches zur Verfügung stand“. Es waren vorwiegend Finanzprobleme, die Jentzsch mit seiner Firma „Telephonautomaten-Ges.m.b.H.“ daran hinderten, die Aufstellung von Münzfernsprechern von allem Anfang an in großem Stil in die Wege zu leiten. Die Sache ging nur zäh an und wurde erst rentabel, als zahlreiche Apparate auch in Form von Straßenautomaten installiert waren. Neben dem ersten Telefonautomat am Wiener Südbahnhof fanden sich bald weitere im Nord- und Westbahnhof, im berühmten Café Central sowie in der Prater-Hauptallee.
Ein eher ungewöhnlicher Ort für ein Telefonat: Ein Wertkartenfernsprecher in einer Felswand. © A1 Telekom Austria AG
Das Wiener Magistrat und das Denkmalamt wollten zunächst die Aufstellung von Münzfernsprechern mit der Begründung, dass diese das Stadtbild verschandeln, rigoros verhindern. Erst als zum Stadtbild passende, vornehm wirkende Kioske entworfen wurden, gab es die Zustimmung zur Aufstellung an dafür geeigneten Standorten. Der erste Kiosk stand am Dr.-Karl-Lueger-Ring (heute: Universitätsring), zehn Jahre später waren in Wien bereits 600 und in den Ländern 178 öffentliche Münzfernsprecher im Einsatz.
Links: Öffentlicher Münzfernsprecher am Stephansplatz, 1957. Rechts: Fernsprechaußenzelle, 1960.

Kein Münzfernsprecher am Stephansplatz

​​​​​​​Keinerlei Verständnis zeigte jedoch das Wiener Magistrat auf das Ansinnen, vor dem Stephansdom einen öffentlichen Münzfernsprecher zu positionieren. Es dauerte über 50 Jahre, bis am Stephansplatz eine eigens für diesen Platz konstruierte Glaszelle aufgestellt werden durfte. Am 17. Jänner 1957 wurde dieser Münzfernsprecher mit großem Trara und mit der Postmusik feierlich seiner Bestimmung übergeben.

Wenn bisher von Münzfernsprechern die Rede war, handelte es sich ausschließlich um Geräte, die nur im Ortsbereich Verbindungen herstellen konnten. Der 29. September 1961 brachte eine entscheidende Neuerung: An diesem Tag wurde in der Wiener Opernpassage der erste Fernwahlmünzer Österreichs aufgestellt.

​​​​​​​In weiterer Folge wurden dann Telefonautomaten entwickelt, mit denen man bargeldlos durch eine vorher erworbene Wertkarte telefonieren konnte. Auch Kreditkartentelefone wurden speziell an Flughäfen und Bahnhöfen errichtet. Dadurch konnten ankommende Reisende Kontakt mit ihren Daheimgebliebenen aufnehmen, ohne vorher Geld wechseln oder Telefonwertkarten kaufen zu müssen.
So sah 1995 ein Telefonat aus

Neue Generation der Telefonzelle bringt Breitband-Internet auf die Straße

​​​​​​​Zum 100-jährigen Jubiläum startete die Telekom Austria mit dem Ausbau von 500 MultimediaStations: „Dieser Ausbau wertet nicht nur den Münzfernsprecher als attraktives Medium im digitalen Zeitalter auf, sondern trägt auch zur Etablierung des Internets als Massenmedium für alle Österreicher bei“, beschrieb eine Presseaussendung die 786 kbit/s Download-Geschwindigkeit. Im Jahr 2003 waren ein Internetzugang und „Bildtelefonieren“  zu Hause noch nicht selbstverständlich. Im selben Jahr widmeten das Technische Museum Wien und die Telekom Austria der Telefonzelle eine Sonderausstellung.

Als „Die Zukunft“ stellte die Telekom Austria 2003 die neueste Generation der Telefonzelle vor: die MultiMediaStation mit Breitband-Internet

Die Telefonzelle als Lebensretter

2020 bekam außerdem so manche Telefonzelle in Wien eine weitere Zusatzfunktion, die sogar Leben retten kann. Gemeinsam mit der Stadt Wien, Gewista sowie Puls, dem Verein zur Bekämpfung des plötzlichen Herztodes, wurden seither 15 A1 Telefonzellen mit sogenannten Laien-Defibrillatoren ausgestattet. Damit wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, um den Zugang zu Defibrillatoren und damit zu lebensrettenden Sofortmaßnahmen zu erhöhen. Denn bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde.
Jeder Herzschlag zählt: Beispielsweise ist diese Telefonzelle beim Museumsquartier mit einem Defibrillator ausgestattet

Kostenlose Notrufnummern aus jeder Telefonzelle

"Rufen - Drücken - Schocken" lauten die Ersthelfer-Maßnahmen. Gemäß der Anleitung also zuerst den Rettungsnotruf 144 wählen, anschließend schnell und kräftig in die Mitte des Brustkorbes der Person in Not drücken und schnellstmöglich den Defi zur Anwendung bringen. Defibrillatoren und Telefonzellen ergänzen einander gerade bei Notfällen sehr gut, da man auch heute noch von jeder Telefonzelle aus die Notrufnummern kostenlos anrufen kann. Wir freuen uns, einen Beitrag zur Herzsicherheit in Wien leisten zu dürfen. Das Video, wie man einen Defi richtig benutzt, gibt es hier.
Wichtig für die Erste Hilfe: Viele Telefonzellen beherbergen einen Defibrillator

Rund 6.500 Telefonzellen österreichweit

Auch wenn heutzutage kaum noch jemand öffentliche Telefone benutzt: Es gibt sie immer noch, nämlich 6.526 Telefonzellen österreichweit. Viele befinden sich innerhalb von Gebäuden, beispielsweise in Einkaufszentren oder Krankenhäusern. Häufig fallen sie gar nicht auf und werden von Passant:innen ignoriert. Ganz klar, der Bedarf an Telefonzellen ist im Laufe der Jahre wegen der hohen Mobilfunkdichte zurückgegangen. Dennoch steht nach wie vor in fast jeder Gemeinde Österreichs zumindest eine Telefonzelle. Insgesamt 1.572 Telefonzellen gibt es aktuell in der Bundeshauptstadt Wien.

​​​​​​​Neue Nutzung als Paketstation oder Stromtankstelle

Manche Telefonzellen werden auch als Paketstation genutzt. Dafür wird eine App auf dem Smartphone benötigt. Mit dieser App wird eine Station in der Umgebung gesucht und Sender und Empfänger werden mittels Mobilrufnummer festgelegt. Die Personen erhalten dann einen QR-Code zugeschickt, mit dem das Paketfach geöffnet werden kann. Die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger erfolgt direkt.

Andere Telefonzellen haben als Bücherzelle ein zweites Leben gefunden, die von den Gemeinden zur Verfügung gestellt wird. Auch für Kunst- und Kulturprojekte stellen wir gerne nicht mehr benötigte Telefonzellen zur Verfügung.
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Außerdem werden Telefonzellen als Stromtankstellen genutzt - derzeit stehen in ganz Österreich 5 Ladestationen für E-Fahrzeuge zur Verfügung.

Glühbirne

Über den Autor

Gerhard Fürnweger ist Verwalter des umfangreichen Historischen Archivs von A1 Telekom. Seine Leidenschaft ist die Dokumentation und Verwaltung des riesigen geschichtlichen Fundus, denn Geschichte sollte nicht verblassen.

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