• Digitales Leben

Wie das Internet unsere Sprache verändert

OMG, FYI, Yolo: Das Internet verändert unsere Sprache rasend schnell. Anglizismen, Abkürzungen, Emojis, Memes und Co. sind für viele nicht mehr wegzudenken. Aber was bedeutet das für uns als Gesellschaft?

„Brakka“ (umgangssprachlich für „Hose“ aber auch andere Gegenstände), „Sideeye“ (jemanden missbilligend anschauen) und „delulu“ (abgewandelte Schreibform von „delusional“, bedeutet übersetzt so viel wie „wahnhaft“) standen 2023 zur Wahl zum Jugendwort des Jahres. Mit 21 Prozent wurde schließlich "Brakka" zum Jugendwort des Jahres gekürt. Auf Schulhöfen und im Internet erfreut sich die Jugendsprache großer Beliebtheit. Doch wohl die wenigsten aus der Generation 40+ verstehen noch, was mit den eigenartig klingenden Begriffen gemeint ist. Wenn ein:e Erwachsene:r etwas „cool“ findet, ist das für eine:n Jugendliche:n eher nur „cringe“. Veränderte Aussprache, Anglizismen und Verkürzungen sind jetzt das A und O. Reden die Generationen dadurch aneinander vorbei? Und inwiefern verändert die Digitalisierung unsere Sprache?

Sprache im Wandel: Das größte OpenSource-Projekt der Menschheit

Sprache ist schon seit jeher ein Prozess: Laute, Wörter, Satzbau und Grammatik sind einem ständigen Wandel unterworfen. Wortbedeutungen verändern sich, einige Wörter sterben aus, neue kommen dazu. Wer heute etwa das Nibelungenlied auf Mittelhochdeutsch lesen möchte, sollte besser ein Germanistik-Studium vorweisen, um den Inhalt zu verstehen. Während sich der Sprachwandel früher stetig, aber langsam vollzog, verändert sich die Welt dank der Digitalisierung heute schneller – und damit auch die Sprache. So werden auch Emojis, GIFs, Memes und Abkürzungen wie LOL oder OMG in unsere Art zu kommunizieren aufgenommen. Angesichts fehlender Interpunktion und Groß- und Kleinschreibung fürchten Kritiker:innen aber einen Sprachverfall. Doch es gibt auch viele Expert:innen, die den Wandel der Sprache mit Gelassenheit betrachten: Die kanadische Buch-Autorin und Linguistin Gretchen McCulloch hält beispielsweise Online-Communities für extrem innovativ, denn diese entwickeln permanent neue Slangwörter genauso wie Emojis, GIFs, Memes oder Akronyme wie „FYI“. Ist die Entwicklung der Sprache dank der Digitalisierung also gar nicht unbedingt etwas Schlechtes, sondern vielleicht viel mehr einfach das größte OpenSource-Projekt der Menschheit?

  

Wenn sich eine Sprache nicht mehr verändert, ist sie tot.
Manfred glauninger soziolinguist
Ähnlich sieht dies auch der Soziolinguist Manfred Glauninger. In einem Interview mit dem Standard erklärt er: „Wenn sich eine Sprache nicht mehr verändert, ist sie tot. Gerade die deutsche Sprache ist seit ihrer Entstehung permanent massiv durch den Kontakt mit anderen Sprachen geprägt – zum Beispiel Latein, Französisch und dann eben Englisch – und das hat ihr gutgetan.“ Viele heute als typisch deutsch angesehenen Wörter hätten demnach ihren Ursprung in fremden Sprachen. Vom Internet geprägte Begrifflichkeiten (häufig als „Netzjargon“ bezeichnet) seien nur eine von vielen Facetten der deutschen Sprache – wenn auch eine im gesamtgesellschaftlichen Diskurs auffällige, weil relativ neue Entwicklung.
 
Aber was braucht es überhaupt dafür, dass ein Begriff oder eine Redewendung in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übernommen wird? Manfred Glauninger meint: „Die Voraussetzung für eine nachhaltige Integration ist oft die Verwendung vonseiten einer prominenten Persönlichkeit aus dem Bereich der Populärkultur beziehungsweise durch eine fiktive Figur aus einem Film oder einer Serie.“ Das Internet, das mittlerweile sämtliche Lebensbereiche durchdringt, und die damit einhergehende Vernetzung sorgen außerdem dafür, dass sich Begriffe und Redewendungen rasch über ursprüngliche subkulturelle Bereiche hinaus verbreiten können. Ein gutes Beispiel dafür sind etwa Begriffe aus der Gaming-Szene, die häufig auch in anderen Lebensbereichen in die (Offline-) Kommunikation übernommen werden. Der Begriff „sus“ war beispielsweise ein heißer Kandidat für das Jugendwort 2022. Eingang in den Sprachgebrauch fand es aber verschiedenen Medienberichten zufolge vor allem durch das Videospiel „Among Us“. 


Reden die Generationen aneinander vorbei?

Manfred Glauninger weiß: „Das Internet ist die gewaltigste qualitative und quantitative Potenzierung der Kommunikation seit dem Buchdruck“. Selbstverständlich hat das Auswirkungen, auf die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Speziell zwischen den Generationen sind die sprachlichen Unterschiede teilweise enorm. Aber reden wir deshalb aneinander vorbei? Nicht unbedingt: Denn auch die Generation 60+ ist bereits regelmäßig online unterwegs – nicht zuletzt, um zu shoppen, Nachrichten zu konsumieren oder mit den weit entfernten Enkeln zu kommunizieren. Der im Netz vorherrschende Sprachgebrauch wird aber – wie auch die Jugendsprache an sich – von der älteren Generation weniger positiv wahrgenommen. Denn ältere Internet-Nutzer:innen achten beim Schreiben von Mails oder beim Chatten auf WhatsApp viel eher auf eine korrekte Rechtschreibung, weshalb diese Generation angesichts des Sprachgebrauchs der Jungen einen Sprachverfall befürchten. Aber seien wir uns ehrlich: Diese ablehnenden Tendenzen gab es auch schon lange Zeit vor dem digitalen Zeitalter…

  • Gesellschaftliche Verantwortung

Jugendliche im Fake-News-Dilemma

Filter Bubble, Fake News, Hate Speech

In der langen Geschichte der Menschheit ist das Internet ein Phänomen, das noch relativ neu, komplex und dynamisch ist. Es beschäftigt uns vor allem deshalb, weil es mittlerweile jeden Lebensbereich durchdringt. Darüber hinaus hat die Digitalisierung einen sehr großen Beitrag zur Globalisierung beigetragen: Dank der fortschreitenden Vernetzung können wir uns über geographische Grenzen hinwegsetzen und online (zumindest in der Theorie) mit jedem anderen Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt treten. Dies führt wiederum dazu, dass wir uns dank dem Internet ganz anders mit anderen connecten können. Im „global village“ umgeben sich viele am liebsten mit jenen Menschen, die ihnen ähnlich sind und deren Meinungen sie teilen. Jede Quellenauswahl ist selektiv und verzerrt den Überblick auf die Landschaft. Eine sogenannte „Filter Bubble“ entsteht. Informationen, die nicht dem Standpunkt des bzw. der Benutzer:in entsprechen, werden ausgeblendet. Auch Fake News und alternative Fakten sind ein Problem, vor dem die Menschheit steht und das uns (speziell angesichts der rasend schnellen Entwicklung von künstlicher Intelligenz) wohl auch in der Zukunft beschäftigen wird. Dass die Zeiten schwierig sind, merkt man auch an der Sprache: Denn der Ton, den man auf Social Media oder in den Kommentarspalten von diversen Nachrichtenseiten liest, ist oftmals ein rauer.

Ingrid Brodnig ist eine österreichische Journalistin, die sich auf digitale Themen spezialisiert hat. Sie hat mehrere Bücher verfasst wie zum Beispiel den 2016 erschienenen Titel "Hass im Netz".

Was tun gegen Hate Speech?

Die Verrohung der Kommunikation ist ein Phänomen, das im Internet sehr häufig beobachtet wird. Shitstorms, Cybermobbing oder Hate Speech sind problematische Steigerungen davon. Begünstigt wird das durch die (vermeintliche) Anonymität im Internet, die wiederum bei vielen User:innen zu einer Art Enthemmungs-Effekt führt. Mittlerweile sind Hetze, Hass und Diskriminierung im Internet zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem geworden, denn sie bedrohen die Meinungsvielfalt und die Demokratie. Aber was kann man dagegen tun? Tipps könnten sein, den eigenen Sprachgebrauch kritisch zu hinterfragen. Reflektiere vor dem Abschicken eines Kommentars beispielsweise, ob dieses für bestimmte Personengruppen verletzend sein könnte (z.B. wenn man das Wort „schwul“ als Schimpfwort benutzt). Liest du von anderen User:innen gehässige Kommentare, kannst du diese bei den jeweiligen Plattformen melden. Wenn du dich traust, kannst du den Hater:innen auch widersprechen, sodass Betroffene oder stille Mitleser:innen sehen, dass Hass nicht die allgemeine Meinung widerspiegelt.

Fazit: Der Einfluss von Digitalisierung auf die (deutsche) Sprache

Rund 100 Millionen Menschen auf der ganzen Welt sprechen die deutsche Sprache. Damit ist sie international gar nicht schlecht aufgestellt, zumal deutsch auch immer noch die am zweithäufigsten erlernte Fremdsprache in Europa ist. Doch natürlich unterliegt auch die deutsche Sprache einem regen Wandel, der unter anderem stark durch die Digitalisierung beeinflusst wird. Anglizismen, Abkürzungen und Slang-Wörter werden etwa immer häufiger in den alltäglichen Sprachgebrauch aufgenommen. Und auch wenn viele Vertreter:innen der älteren Generationen dies nicht gutheißen, ein Sprachverfall droht deshalb aber nicht. Vielmehr stellt die zunehmende Verrohung unserer Sprachkultur ein ernstzunehmendes Problem für unsere Gesellschaft dar: Hate Speech und Co. sind zwar keine reinen Netzphänomene, da sie auf analogen Macht- und Diskriminierungsstrukturen basieren, aber dennoch eine Form von digitaler Gewalt gegen die wir alle eintreten sollten.

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