Meldung vom 19.06.2015
V.l.n.r.: Alexandra Zawadil (CARE), Karin Brandner (A1), Wolfgang Renzl (Medienanwalt), Gudrun Gutt (ORF), Martin Mühl (The Gap), Friedrich Orter (Friedensreporter), Thomas Seifert (Keynote, Wiener Zeitung), Credit: Patrick-Muennich
Die Anschläge auf das World Trade Center stellen in vielerlei Hinsicht eine Zäsur dar; auch in der Art wie Bilder für Propagandazwecke verwendet werden. Daher stellte Thomas Seifert, Leiter des Ressorts Ausland und Chefredakteur-Stellvertreter bei der Wiener Zeitung sie auch an den Anfang seiner Ausführungen über die neue Qualität der „Bilder der Katastrophe“. Er zitierte den Künstler Damien Hirst, der 9/11 als großes, grausames Kunstwerk beschrieb; als eine Inszenierung, die mit einer Ästhetik arbeitet, wie sie aus Katastrophenfilmen von Roland Emmerich oder anderen Regisseuren bekannt sei. Terrororganisationen liefern immer neue Bilder mit noch abscheulicheren Szenen, wie etwa die Verbrennung von Gefangenen in Käfigen durch ISIS. Medien, die solche Bilder verbreiten, werden unfreiwillig zu Kollaborateuren der Terroristen.
Geschichten lassen sich auch anders erzählen
Gudrun Gutt, die beim ORF für Newsgathering zuständig ist, sichtet mit ihrem Team täglich um die 500 Videosequenzen und muss entscheiden, was davon im Fernsehen gezeigt wird und was nicht. Sie berichtete, dass man sich in der European Broadcasting Union (EBU) darauf geeinigt habe, derartig grausame Bilder möglichst gar nicht „on air“ gehen zu lassen. Es gäbe genügend andere Möglichkeiten, über Kriege und andere Katastrophen zu berichten. In einer Zeit, wo sich Bilder und Videos ohne Zutun der klassischen Medienhäuser im Netz verbreiten können, komme Journalistinnen und Journalisten immer mehr die Rolle zu, den Kontext zu recherchieren, die Authentizität von Bildern zu überprüfen und in ihren Berichten Zusammenhänge aufzuzeigen. Alexandra Zawadil, Digital Media and Communications Officer, CARE Österreich verwendet in ihrer Arbeit naturgemäß viele Bilder. Auch sie betonte, dass es nicht die Abbildungen alleine seien, die Menschen zum Spenden bewegen oder die Aufmerksamkeit auf Krisen lenken, sondern eben die Geschichten, die damit erzählt werden. Auch wenn oft die Rede von der Abstumpfung des Publikums durch immer noch spektakulärere Bilder sei, eine gute Erzählung erreicht die Menschen dennoch.
Opferschutz
In der Berichterstattung müssen Opfer und Täter – vor allem solange die Unschuldsvermutung für sie gilt – gleichermaßen geschützt werden. Der Medienanwalt Wolfgang Renzl von der Rechtsanwaltspartnerschaft Pfletschinger-Renzl hielt fest, dass es in den allermeisten Fällen kein öffentliches Interesse an einem Gesicht gäbe. Heute sei es recht einfach, Menschen auf Fotos und Videos unkenntlich zu machen. Er betonte auch, dass es trotz des dramatischen Wandels der Medienlandschaft, nicht unbedingt neue gesetzliche Regelungen brauche. Sehr wohl aber sollten allgemeine Regeln der Kommunikation besser in den Köpfen der Menschen verankert werden.
Berichten statt richten
Der mittlerweile pensionierte ORF-Reporter Friedrich Orter war als Besucher bei der Diskussion und berichtete über seine Erfahrungen, die er in den vielen Jahren seiner Arbeit als Berichterstatter aus Kriegsgebieten gemacht hat. Es brauche viel Erfahrung und Gespür, um Situationen vor Ort beurteilen zu können. Für ihn wäre eine ideale Rolle von Journalisten, wenn sie Konflikte aufgreifen, bevor es „kracht und brennt“. Dabei sollten sie immer bedenken, dass es ihre Aufgabe sei, zu berichten und nicht zu richten.
Auf http://www.twentytwenty.at finden sich weitere Infos zum Thema: Ein Interview mit Friedrich Orter, eine Videoaufzeichnung sowie Fotos zur Veranstaltung.