
Richard David Precht ist Schriftsteller, Philosoph, Publizist, Moderator und Key Note Speaker beim A1 Business Forum ©Christian O. Bruch
Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seine Bücher wie „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, „Liebe - ein unordentliches Gefühl“ und „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ sind internationale Bestseller und wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt. 2021 erschien „Von der Pflicht. Eine Betrachtung“, im April 2022 folgte „Freiheit für alle. Das Ende der Arbeit wie wir sie kannten“. Zuletzt veröffentlichte er zusammen mit Harald Welzer „Die vierte Gewalt“. Seit 2012 moderiert Richard David Precht die Philosophiesendung „Precht“ im ZDF. Im ZDF-Podcast „Lanz & Precht“ sprechen Richard David Precht und Markus Lanz über gesellschaftlich und politisch relevante Themen unserer Zeit. Precht war Key Note Speaker auf dem A1 Business Forum im Juni in Linz.
Sie haben auf dem A1 Business Forum zum Thema „Resilienz und Verantwortung in Bezug auf Digitalisierung & Nachhaltigkeit“ gesprochen. Was sind für Sie dabei die entscheidenden Parameter?
Es geht nicht um die Definition, jeder weiß, was Resilienz oder Verantwortung ist. Spannend ist aber, wie man in komplexen Gesellschaften und unübersichtlichen sowie sich extrem schnell verändernden Situationen eine reale Verantwortungskultur findet. Der technische Fortschritt ist so schnell, dass wir Menschen kaum hinterherkommen. Um Resilienz zu erreichen, müssen wir uns zunächst überlegen, wie wir aus dem Zustand der Dauererregung herauskommen. Das führt nicht zu dem klaren Kopf, den wir für kluge Gedanken brauchen, um künftig gut zusammenarbeiten zu können. Wir müssen die mediale Erregungskurve senken und dazu erstmal dieses erste Problem sichtbar machen.
Warum haben wir so große Schwierigkeiten, mit den heutigen Problemstellungen umzugehen?
Wir leben in einer Zeit, die es noch nie gab. Die Menschheit muss drei große, global wirksame Umwälzungen gleichzeitig bewältigen. Da wäre die multipolare Weltordnung. Der Westen verliert relativ gegenüber Asien an Bedeutung. Wir sehen eine Verschiebung in der politischen Plattentektonik. Die müssen wir halbwegs friedlich hinbekommen. Dann die digitale Revolution, oder wie ich es lieber nenne, das zweite Maschinenzeitalter, in dem sehr viele Leistungen des menschlichen Gehirns von Maschinen besser erledigt werden können. Das ist eine Zäsur in der Entwicklung der Menschheit, noch größer als die erste industrielle Revolution. Das wird zu gesellschaftlichen Erschütterungen führen. Schließlich die Nachhaltigkeitsrevolution bzw. die Bewältigung der ökologischen Wirtschaft und der Erhalt der Biodiversität. Schaffen wir das nicht, brauchen wir über die anderen eh nicht mehr nachzudenken. Und alle drei Herausforderungen sind gleichzeitig. Daher leben wir in einem Zeitalter der Krisen, und die hören auch nicht auf. Wir müssen lernen, resilienter zu werden, das heißt auch die immerwährende Krise – für mindestens eine Generation – zu akzeptieren. Aber sich auch realistische Ziele zu setzen.