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„Der Westen wird relativ an Bedeutung verlieren“

Richard David Precht ist Schriftsteller, Philosoph, Publizist, Moderator und Key Note Speaker beim A1 Business Forum ©Christian O. Bruch

Die Menschheit muss erstmals drei große, global wirksame Umwälzungen gleichzeitig bewältigen. Das sorgt für neue Herausforderungen, sagt Richard David Precht.

Wie können wir zu mehr internationaler Zusammenarbeit bei der Krisenbewältigung gelangen?
Die USA und Europa haben gemeinsame und auch unterschiedliche Interessen. Die USA sind für uns ein zentraler Handelspartner. In der geostrategischen Betrachtung zeigen sich jedoch auch deutliche Unterschiede. So ist die Taiwan-Frage für die USA viel essenzieller als für Europa. Und die USA hatten mit Russland kaum Wirtschaftsbeziehungen, Deutschland und Österreich sehr wohl. Ich denke, dass die westliche Welt generell relativ an Bedeutung verlieren wird – was aber nicht heißen muss, dass der politische Aufstieg Asiens auf unsere wirtschaftlichen Kosten gehen muss. Politisch werden wir geschwächt werden, weil allein die indischen und chinesischen Volkswirtschaften zusammen fast drei Milliarden Menschen ausmachen. Es wird nötig, die großen internationalen Organisationen neu zu denken: Die Weltbank, die WHO oder der IWF etwa sind Geschöpfe des Westens. Das werden sie nicht dauerhaft bleiben können, allein schon deshalb, weil in der westlichen Hemisphäre so viel weniger Menschen leben. Die vielen Menschen in China und in Indien wollen sich künftig auch global und geopolitisch besser vertreten sehen als heute.

Der Klimaschutz ist kein Trend, der bald wieder weg geht. Ist die Bereitschaft zur sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung schon in den Köpfen der Wirtschaft angekommen? Und auch in der Gesellschaft? Wie kann man die Bereitschaft weiter fördern? Wie sind große gesellschaftliche Veränderungen und ein Bewusstseinswandel möglich?
Die große Mehrheit der Wirtschaft hat den Ernst der Lage beim Klimawandel erkannt, ebenso die Mehrheit in der Gesellschaft. Das hat ja auch lange genug gedauert. Um weiter voranzukommen, müssen wir aus bestimmten liebgewonnenen Schablonen heraus. Erstens: Es ginge um die Alternative „technische Lösung“ versus „Verzicht“. Tatsächlich ist dies keine Entweder-oder-Frage, sondern ein „Sowohl-als auch“. Zweitens: Das Gleiche gilt bei der Frage, ob die Politik zuständig sei, die nötigen Maßnahmen durchzuführen oder jeder einzelne. Das Entweder-oder lähmt den Fortschritt.

Wir brauchen neue Lösungen, wenn das Ziel der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit im Fokus steht. Kann Nachhaltigkeit beispielsweise über Verbote erreicht werden, oder spaltet man damit die Gesellschaft?
Verbote spalten nur im Vorfeld. Man denke an das Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Räumen. Was für eine Aufregung, wieviel Trotz gingen damit einher! Und heute ist es ein „So what!“ Kaum einen stört es noch. Verbote im Dienst der Umwelt sind eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Man denke an das Verbot von bleihaltigem Benzin oder das FCKW-Verbot. Wir sind dabei das Ozonloch wieder zu schließen – auf der Grundlage von Verboten!

Lässt sich ein ökonomisches Wirtschaften mit einer ökologischen Ausrichtung überhaupt vereinbaren? Sprich: Kann nachhaltiges Wachstum funktionieren?
Das ist eine offene Frage. Ich weiß nicht, ob wir das schaffen werden. Wir haben keine Vorlage, keine Blaupause, keine Idealspur. Wir haben stattdessen eine völlig neue Situation. Aber ich bin zuversichtlich: Die Menschheit hat gewaltige Umstürze und Revolutionen durchgemacht und letzten Endes ein humanisiertes Vorankommen entwickelt. So hat die erste industrielle Revolution anfangs viele Fabriksarbeiter in unendliches Elend gestürzt. Aber letzten Endes haben wir den Kapitalismus humanisiert. Der Mensch ist anpassungsfähiger, als man denkt. Was diese aktuelle Aufgabe so herausfordernd macht, ist der bedrohlich kurze Zeitraum, der uns bleibt. Wir sollten alles tun, um es zu versuchen. Wichtig ist, dass das global angegangen wird. Wir denken hier noch viel zu sehr national oder europäisch. Millionen Sonnenkollektoren in Afrika sind am Ende für das Weltklima langfristig entscheidender als tausend Windräder in Deutschland.

Welche Rolle spielen technische Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit? Kann uns beispielsweise der Einsatz von Digitalisierung oder/und KI optimistisch stimmen?
Die Digitalisierung hat umwelttechnisch bislang einen großen Vorteil und einen noch größeren Nachteil. Einerseits hilft sie uns, effizienter mit Energie umzugehen. Andererseits ist der gesamte Stromverbrauch im Zuge der Digitalisierung enorm gestiegen. Wir reden etwa viel zu wenig über den Stromverbrauch durch Streaming-Dienste usw. Mit einem Wort: Die Digitalisierung kann zwar umwelttechnisch effizient sein, bislang jedoch ist sie unterm Strich nicht effektiv, sondern kontra-effektiv.

Wenn Sie mit der Künstlichen Intelligenz diskutieren wollten – was würden Sie sie als erstes fragen?
„Was ist der Sinn des Lebens?“

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